30/05/2017

So hilft Empathie – Gewaltfreie Kommunikation

By Bela Janine Höfer

Mai 30, 2017


In den vergangenen Artikeln habe ich die 4 Schritte, die die Basis der Gewaltfreie Kommunikation bilden beschrieben. Es gibt aber noch einen anderen, ganz wesentlichen Aspekt: die Empathie. Empathie ist unglaublich hilfreich, wenn es darum geht Auseinandersetzungen zu klären, weil sie uns Verständnis für uns selbst und den anderen gibt. Wie Empathie Dir helfen kann, erfährst Du in diesem Artikel.

Wenn Du zunächst einen Einstieg in die Gewaltfreie Kommunikation (kurz GfK) haben möchtest, schau Dir gerne erst mal den Startartikel dieser Serie an.


Was ist Empathie (im Sinne der Gewaltfreien Kommunikation)?

Empathie ist die Fähigkeit, Dich leer zu machen, Deine Vorstellungen und Urteile loszulassen, um so deinem Gegenüber möglichst offen und frei begegnen zu können. Diese Offenheit schafft einen Raum, in dem es möglich ist, Dich ganz auf das Erleben des anderen einzulassen.
Empathisch zu sein bedeutet, dich auf den anderen einzustellen und sowohl auf der Verstandesebene als auch emotional zu erfassen, was bei deinem Gegenüber gerade lebendig ist.

Bei meinen Recherchen habe ich einen interessanten Artikel gefunden. Es wurden wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt, die sich damit beschäftigen, wie sich Empathie und Mitgefühl auf das Gehirn und den Körper auswirken. Die Untersuchungen ergeben, dass Empathie zu Burnout führen kann, Mitgefühl sich dagegen positiv auf Körper und Psyche auswirkt. Der Unterschied bestehe darin, dasss bei dem was sie dort als Empathie bezeichnen, lediglich der Schmerz wahrgenommen wird. Mitgefühl dagegen sei gekoppelt an liebevolle Gefühle, was dazu führe, dass statt Ohnmacht Verbindung und die Motivation zu helfen entstehe.
Ich würde das, was dort als Empathie bezeichnet wird, Mitleid nennen. Die Definitionen scheinen also unterschiedlich zu sein.

In der Gewaltfreien Kommunikation wird als Empathie eher das bezeichnet, was in der Studie Mitgefühl ist. Es wird ausdrücklich erwähnt, dass es wichtig ist, nicht mitzuleiden. Denn wer leidet ist bei sich und seinem eigenen Schmerz, nicht beim anderen. Mitleid macht hilflos. Empathie im Sinne der GfK bedeutet, das Erleben des anderen wahrzunehmen und gleichzeitig absolut präsent und bei sich zu bleiben. Diese Form der Anteilnahme ist unglaublich hilfreich!


Die Kraft der Empathie

Empathie ist heilsam

Wenn jemand etwas erzählt, was als belastend erlebt wird, reagieren wir häufig beschwichtigend. Meistens aus völlig gut gemeinten Gründen, wollen wir schnell dafür sorgen, dass es dem anderen besser geht. Das ist so verbreitet, dass wir häufig gar nicht merken oder verstehen, bzw. uns zugestehen, dass die gut gemeinten Worte eher negativ erlebt werden. Mehr dazu findest du in dem Artikel zum „trennenden Sprachgebrauch“.

Dabei kann es so einfach sein, wirklich hilfreich zu antworten, wenn wir auf empathische Art reagieren. Anstatt mühsam tröstende Worte zu finden, können wir uns einfach auf die Gefühle und Bedürfnisse des anderen einstellen und diese äußern. Das sorgt für echtes Verständnis. Das Spannende ist, dass das allein häufig schon reicht, um sich besser zu fühlen. Dadurch bekommt die Person die Möglichkeit, noch mehr mit sich in den Kontakt zu kommen und so vielleicht noch tiefer sitzende Gefühle zu entdecken.

Dieser Raum und dein echtes Interesse sind so heilsam, dass es oft gar nicht mehr braucht.

Empathie macht stark

Es gibt einen schönen Nebeneffekt, wenn wir lernen, empathisch auf andere Menschen zu reagieren. Häufig nehmen wir die Aussagen – besonders der uns nahestehenden Personen – sehr persönlich. Wir fühlen uns verletzt, vor den Kopf gestoßen, abgelehnt. Dabei sind diese Äußerungen meist gar nicht so gemeint. Klar kann es auch mal sein, dass jemand bewusst verletzen will. Aber wenn wir davon ausgehen, dass hinter jeder Aussage, wie unglücklich sie auch formuliert sein mag, der Versuch steckt, sich mitzuteilen, dann können wir lernen, eine andere Haltung einzunehmen.

Statt Vorwürfe zu hören und verletzt zu reagieren, haben wir die Möglichkeit, uns auf die Gefühle und Bedürfnisse des anderen zu konzentrieren. Wir können versuchen, die eigentliche Botschaft hinter den Worten zu hören und uns fragend vergewissern, ob wir damit richtig liegen, um eine Situation zu entschärfen. Wenn dieses Verständnis für den anderen da ist, fällt es viel leichter, die Worte nicht mehr persönlich zu nehmen.

Gleiches gilt, wenn unser Gegenüber unserer Bitte nicht nachkommen möchte, also trotz Einhalten aller GfK-Schritte (Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis, Bitte) nein sagt. Wir gehen in der GfK davon aus, dass Menschen grundsätzlich daran interessiert sind, einander zu helfen und das Leben des anderen zu bereichern. Dazu ist es aber notwendig, dass für unsere eigenen Bedürfnisse gesorgt ist. Wenn also jemand mit einem Nein auf deine Bitte reagiert, dann kannst Du davon ausgehen, dass es auf der anderen Seite unerfüllte Bedürfnisse gibt. Anstatt verärgert über das Nein zu sein, kannst Du wieder empathisch reagieren und auf die Bedürfnisse deines Gegenübers eingehen.

Es kann sein, dass sich dadurch etwas beim anderen verändert und die Bereitschaft entsteht, doch noch positiv auf deine Bitte zu reagieren. Wichtig ist hier das ehrliche Interesse am anderen, denn ansonsten geht es eher in Richtung Manipulation. Auch hier hilft dir diese Sicht also, die Dinge nicht so persönlich zu nehmen. Natürlich funktioniert das nicht von heute auf morgen. Aber dauerhaft geübt, kann diese hilfreiche Haltung entstehen.

Und noch ein Vorteil: Wenn du auf diese Art mit jemandem sprichst und Dein Gegenüber sich darauf einlässt, wird es dir sicherlich auch leichter fallen, etwas von dir preiszugeben. Oft haben wir Angst, uns mit dem, was uns wirklich bewegt zu zeigen. Wir machen uns dadurch ein Stück weit verletzbar. Doch es ist genau diese Offenheit, die einen wirklichen Kontakt entstehen lässt. Erst, wenn wir über das sprechen, was uns wirklich bewegt, können wir gemeinsam eine Lösung finden. Dich empathisch auf eine andere Person einzulassen, kann dir also helfen, dass du dich sicherer fühlst.


So kannst Du jemanden mit Empathie unterstützen

Wie schon beschrieben, geht es bei der empathischen Reaktion vor allem um die Präsenz. Dies muss nicht zwingend durch Worte geschehen. Wir können auch „einfach nur“ mit unserem ganzen Wesen beim anderen sein. Es geht darum zuzuhören, ohne dabei geistig die eigenen Geschichten abzuspulen. Du kennst das vielleicht, wenn dir jemand was erzählt und dir sofort eigene ähnliche Erlebnisse dazu einfallen. Wir neigen dazu, diese dann auch direkt auszusprechen. Das kann eine nette Unterhaltung sein, aber wenn dein Gegenüber wirklich etwas auf dem Herzen hat, dann wäre es schöner, wenn du ganz bei dem bleibst, was du gehört hast.

Wie geht das mit der Empathie nun in der Praxis?

Dazu reicht es manchmal schon, das Gesagte einfach zu wiederholen. Nicht unbedingt Wort für Wort, sondern nur die Quintessenz. Das, was du als besonders wichtig rausgehört hast.
Alternativ oder zusätzlich kannst du der anderen Person Gefühle und Bedürfnisse anbieten, die du rausgehört hast. Damit es nicht wie eine Analyse klingt, sondern den Raum offen lässt, gegebenenfalls zu korrigieren, ist es hilfreich, dies in Form einer Frage zu formulieren. Das könnte etwa so klingen: „Ich würde gerne noch mal wiedergeben, was du gesagt hast, um sicher zu sein, dass ich dich richtig verstanden habe.“ Dann folgt die Beschreibung des Gehörten. Es könnte folgen: „Bist du verärgert, weil du dir mehr Wertschätzung gewünscht hättest?“

Ist es schlimm, wenn ich falsch liege?

Ganz oft erlebe ich in der Übungsgruppe zu Beginn diese Angst, etwas falsch zu machen. Nicht das richtige zurückzugeben oder anzubieten. Diese Angst kann ich dir nehmen. Es ist vor allem die Haltung, die die Empathie ausmacht. Dein Gegenüber spürt, ob da ein echtes Interesse besteht, dich zu verstehen. Falls du nicht richtig liegst mit deiner Vermutung, kann dein Gegenüber noch mal korrigieren.

Was häufig auch passiert ist, dass in dem Moment, indem die Dinge so auf den Punkt gebracht wurden, sich noch etwas anderes zeigt. Vielleicht steckt hinter dem Ärger noch eine Traurigkeit oder Frustration. An all diese Gefühle kommt man eben erst ran, wenn die Dinge an der Oberfläche ihren Raum bekommen haben. So kann Stück für Stück emotional aufgeräumt werden. Irgendwann versiegt der Redefluss und es stellt sich eine innere Ruhe ein. Diese ist meist für beide spürbar. Das ist der Moment, wo alle Gefühle und Bedürfnisse wahrgenommen werden konnten.


Wenn der eigene Schmerz zu groß ist…

Fehlende Empathie

Du ahnst vielleicht schon, dass es unter Umständen nicht ganz einfach ist, empathisch zu reagieren. Immer dann, wenn die eigenen Themen zu präsent sind, der eigene Schmerz zu groß ist, kann es schwer fallen, sich so auf den anderen einzulassen. Manchmal brauchen wir erst mal selbst Einfühlung (Empathie), bevor wir in der Lage sind, sie dem anderen zu geben. Das ist übrigens auch ein Grund, warum es dem anderen manchmal nicht möglich ist, dir zuzuhören. Mal abgesehen davon, dass wir nicht gelernt haben, so miteinander zu reden. Falls du also mal in eine Konfliktsituation kommst und dich nicht verstanden fühlst, kannst du probieren, zunächst der anderen Person empathisch zu begegnen. Wenn die oben beschriebene Ruhe eintritt, kannst du noch mal versuchen, dein Anliegen zu formulieren. Wahrscheinlich wirst du dann eher verstanden.

Hilf Dir mit Selbstempathie

Was also tun, wenn du die Empathie vom anderen nicht bekommen kannst, es dir aber wichtig ist, die Situation zu klären?
Du kannst dir natürlich auch selbst Empathie entgegenbringen. So, wie du dich auf eine andere Person einstellst und versucht, die Gefühle und Bedürfnisse zu erfassen, kannst du dich auch selbst fragen „Was fühle ich?“ und „Was brauche ich gerade?“. Wer es nicht gewohnt ist, so genau in sich hinein zu spüren, wird zunächst nicht so leicht Antworten finden. Doch mit der Zeit und etwas Übung, fällt es immer leichter, die Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen und zu benennen. Man kann es vergleichen mit Vokabeln lernen. Zunächst müssen wir die ganze Bandbreite überhaupt erst mal kennen lernen. Dann müssen wir sie wiederholen. Und irgendwann sind sie uns bekannt. Dann ist es leicht, sofort zu erfassen, was gerade bei einem selbst los ist.
Je besser das Verständnis für die eigenen Gefühle und Bedürfnisse, umso leichter ist es dann auch, andere Menschen dabei zu unterstützen, diese in sich wahrzunehmen.


Anwendung der Gewaltfreien Kommunikation

Im Artikel (Die Kunst, Beobachtung und Bewertung zu trennen) hatte ich eine bespielhafte Situation beschrieben. Erinnerst Du Dich?
Stell Dir folgendes Szenario vor: Du hattest eine anstrengende Arbeitswoche und am Wochenende warst Du auch noch auf einem Seminar, dass Dir dein Arbeitgeber nahegelegt hatte. Sonntag Abend gegen 17 Uhr kommst Du völlig kaputt nach Hause. Auf dem Weg in die Küche siehst Du, dass Dein Mann auf dem Sofa schläft. Du kommst in die Küche und siehst das: Essensreste, Flaschen, Alkohol.
Ziemlich sauer stapfst Du ins Wohnzimmer, weckst ihn unsanft und legst los: „Was ist denn in der Küche passiert? Habt Ihr hier ne Party gefeiert?“. Noch bevor Dein Mann antworten kann machst Du weiter: „Ihr hättet ja wenigstens mal die Reste wegräumen können. Soll ich das jetzt vielleicht machen?“ Dein Mann, völlig überrumpelt, aus dem Schlaf geweckt, ranzt zurück: „Entspann dich mal. Ist doch nicht so schlimm.“ „Ich würde mich ja gerne entspannen. Nichts lieber als das! Aber da Du ja zu faul warst, Dein Chaos zu beseitigen, geht das wohl schlecht. Schön, wenn Du dabei in aller Seelenruhe schlafen kannst. Hast wohl zu viel getrunken. Wann hattest Du denn vor das wegzumachen?“ „Ich mach das gleich. Stress mal nicht so. Ich bin gerade aufgewacht“ „Wenn Du Deinen Scheiß nicht immer liegen lassen würdest, dann würde ich auch nicht so stressen!“ „Was willst Du eigentlich von mir?“ (BREAK)

Lösungsvorschlag

Beobachtung:

  • Aus „Was ist denn in der Küche passiert? Habt Ihr hier ne Party gefeiert?“ könnte also werden:
    „Der Küchentisch steht voll mit Flaschen und Geschirr. Habt ihr eine Party gefeiert?“
  • Aus dem Satz „Aber da du ja zu faul warst, dein Chaos zu beseitigen, geht das wohl schlecht.“ könnte werden:
    „Ich empfinde es als faul, dass du im Bett liegst und schläfst während die Sachen noch auf dem Küchentisch stehen.“

Mögliche Gefühlsäußerungen:

  • Ich bin total erschöpft.
  • Ich ärgere mich.
  • Ich bin genervt.

Mögliche Bedürfnisse:

  • Ruhe, Entspannung: Ich bin sehr erschöpft von dem Seminar und würde mich gerne ausruhen.
  • Unterstützung: Es fällt mir schwer, mich auszuruhen, wenn ich weiß, dass in der Küche die Sachen auf dem Tisch stehen. Ich bin aber gerade sehr kaputt und hätte gerne Unterstützung dabei Ordnung zu machen.
  • Harmonie, Ordnung: Ich bin genervt, weil ich nach dem anstrengenden Wochenende gerne einen harmonischen Abend mit Dir verbracht hätte. Ordnung ist mir sehr wichtig, daher fällt es mir schwer, über das Chaos in der Küche hinweg zu sehen.

Mögliche Bitte:

  • Verbindungsbitte: „Was fühlst Du, wenn Du das hörst?“
  • Bitte an mich selbst: „Bitte setzt Dich 5 Minuten hin, atme tief durch und beruhige Dich, bevor Du die Unterhaltung weiterführst.“
  • Bitte an den anderen: „Bist Du bereit, dass wir jetzt gemeinsam die Küche in Ordnung bringen und es uns dann zusammen gemütlich machen?“

Mögliche empathische Reaktion des Mannes:

  • Bist Du verärgert, weil Du es gerne ordentlich in der Küche hast?
  • Das klingt, als wenn Du ziemlich erschöpft bist und Dich gerne ausruhen möchtest.


Für mich ist Empathie eins der größten Geschenke, die wir einander machen können. Wenn alle Menschen empathisch miteinander umgehen würden, hätten wir wohl wesentlich weniger Probleme in der Welt.

Die größte Herausforderung besteht darin, auch dann, wenn wir sehr emotional werden, diese Grundhaltung nicht zu vergessen. Meistens sind es die uns am nahestehendsten Personen, die uns am meisten aus der Fassung bringen können. Es gibt also viel Spielraum zum Üben. Aber auch, wenn es nicht immer gleich gelingt, hilft es doch sehr, wenn man grundsätzlich in der Lage ist, empathisch auf den anderen einzugehen. Für mich ist es auch schon ein Erfolg, wenn man nach 10 Minuten klassischem Streit in der Lage ist, das Gespräch zu retten.

Alles Liebe
Bela


Folgende Artikel gehören zu dieser Serie

Bela Janine Höfer

Seit fast 30 Jahren erforsche ich das Feld der Persönlichkeitsentwicklung, Psychologie und Spiritualität. Und vermutlich werde ich nicht mehr damit aufhören, denn es hört nicht auf spannend zu sein. 

In diesem Blog teile ich meine Erfahrungen und mein Wissen mit Dir.

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