Jeder hat sie, die wenigsten mögen sie: Konflikte. Manche mögen sie sogar so wenig, dass sie ihnen aus dem Weg gehen. Das ist verständlich, aber nicht hilfreich. Es ist ungesund, dauerhaft zu unterdrücken, was in einem brodelt. Häufig steckt die Sorge um die Beziehung hinter der Vermeidung. Oder fehlender Mut, zu sich zu stehen. Ein Konflikt fühlt sich auch einfach nicht schön an. Daher soll es in diesem Artikel darum gehen, wie Du Konflikte so lösen kannst, dass es möglichst angenehm ist. Denn das ist möglich. Der Schlüssel dazu ist eine neue Haltung.
Was ist überhaupt ein Konflikt?
Wikipedia sagt dazu
Von einem Konflikt (von lateinisch confligere, „zusammentreffen, kämpfen“; PPP: conflictum) spricht man, wenn Interessen, Zielsetzungen oder Wertvorstellungen von Personen, gesellschaftlichen Gruppen, Organisationen oder Staaten miteinander unvereinbar sind oder unvereinbar erscheinen (Intergruppenkonflikt). […]
https://de.wikipedia.org/wiki/Konflikt
Es treffen also Interessen zusammen, die unvereinbar sind oder erscheinen. Im letzten Teil steckt für mich schon die ganze Lösung. Sehe ich es so, dass die zusammentreffenden Interessen unvereinbar sind, dann bleibt mir nichts anderes übrig als zu kämpfen und dabei zu gewinnen oder zu verlieren. Da sich Verlieren nicht schön anfühlt, wird jeder versuchen zu gewinnen. Und schon wird aus einem Konflikt ein handfester Streit.
Worum geht es wirklich?
Gehe ich aber davon aus, dass die Interessen nur unvereinbar scheinen, dann öffnet sich mir eine neue Möglichkeit: die gemeinsame Lösung. Eine, die sich jenseits von Sieg und Niederlage befindet. Eine Lösung, um die man nicht kämpfen muss, sondern auf die man sich gemeinsam einigt. Das mag erst mal befremdlich klingen, weil wir das so nicht unbedingt kennen gelernt haben. Wir leben doch häufig eher in einer Ellenbogengesellschaft, in der jeder um sein eigenes Wohlergehen bedacht ist. Aber es gibt eine wunderbare Methode, mit der Du diese Haltung und die nötigen Werkzeuge trainieren kann.
Die Sprache der Herzen nutzen
Bei der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg wird der Fokus auf die Bedürfnisse hinter den Gefühlen und Taten gelegt. Auf dieser Ebene ist es viel leichter, sich zu begegnen, da Bedürfnisse bei allen Menschen gleich sind, wenn sie auch in unterschiedlichen Anteilen erfüllt werden wollen. Streit dagegen entsteht auf der Ebene der Strategie, also dem Weg, wie jemand sich dieses Bedürfnis erfüllt.
Um eine gemeinsame Lösung zu finden, schauen wir also, was hinter unseren Gefühlen steckt, was uns antreibt. Wenn Du dem anderen empathisch zuhörst und dadurch verstehst, worum es wirklich geht, dann fällt es Dir viel leichter, das Recht haben und Durchsetzen wollen loszulassen. So kann man gemeinsam entweder eine Lösung finden, die beide Bedürfnisse miteinander vereinbart oder aber eine Partei stellt für sich fest, dass das eigene Anliegen gar nicht mehr so wichtig ist und kann das eigene Anliegen mit einem guten Gefühl loslassen.
Dazu ein Beispiel
In einer GFK-Übungsgruppe, an der ich regelmäßig teilnehme, wurde ein Bild verschenkt. Das Bild stand schon den ganzen Abend im Raum. Es zeigte eine kleine Giraffe. Sie war auffällig schön, so dass das Bild meine Aufmerksam mehrfach auf sich gezogen hat.
Als dann gesagt wurde, dass es verschenkt werden soll, war ich natürlich sehr interessiert. Eine andere Frau in der Gruppe war aber schneller und sagte, dass sie das Bild sehr gerne haben möchte. Wir hätten uns nun darüber streiten können, wer das Bild bekommt. Oder eine hätte verzichten können, sich aber insgeheim dann darüber geärgert oder wäre traurig. Stattdessen wurden wir gefragt, was uns an dem Bild so gut gefällt, welche Bedeutung es für uns hat, was wir mit dem Bild machen würden und wo und wie es unser Leben bereichern würde.
Das war eine sehr interessante Frage. Die Frau erzählte davon, wo sie es in ihrem Wohnzimmer aufhängen würde und dass sie es dort dann immer sehen könnte, wenn sie den Raum betritt. Ich sagte, dass ich das Bild wohl für meine GfK-Kurse verwenden würde. Dann hätte es allerdings keinen festen Platz, sondern würde mitwandern.
Als ich das ausgesprochen hatte, war für mich total klar, dass ich das Bild viel wertvoller im Wohnzimmer der anderen Frau finde. Sie hatte das mit so viel Freude erzählt und ich wusste, sie würde es sehr wertschätzen. Ich würde mich zwar auch freuen, weil ich es wirklich schön finde, aber ihr bedeutete es ganz offensichtlich mehr. Deswegen war es dann ganz einfach und vor allem auch wirklich stimmig, es ihr zu überlassen. Das war eine reine Herzensentscheidung. So einfach und erfüllend kann es sein, auf etwas zu verzichten, wenn man merkt, dass man jemandem damit eine Freude macht.
4 Schritte zur Lösung
Um Konflikte friedlich zu lösen, gibt es in der GFK das 4-Schritte-Modell: Beobachtung – Gefühl – Bedürfnis – Bitte. Wenn Du Dein Anliegen so formulierst, steigert das ungemein die Wahrscheinlichkeit, damit auch gehört zu werden. Gleichzeitig lernt Du auch, Dich selbst viel besser zu verstehen. Oft wissen wir ja gar nicht, warum uns eine Situation gerade so wütend werden lässt oder wir so genervt sind. Wir reagieren einfach.
Wenn Du regelmäßig diese 4 Schritte anwendest, auch für Dich alleine, wirst Du mit der Zeit einen viel besseren Zugang zu Deinen Gefühlen entwickeln und diese verstehen und einordnen können. Und das hilft Dir dann auch wieder im nächsten Konflikt. Anstatt emotional zu reagieren ist ein bewusstes agieren möglich. Du kannst Deinem Konfliktpartner mitteilen, wie es Dir geht, ohne dabei ausfallend oder angreifend werden zu müssen und konstruktiv an einer Lösung arbeiten.
Die Haltung macht den Unterschied
Für mich macht es einen ganz wesentlichen Unterschied, welche Haltung ich grundsätzlich habe. Sehe ich mich als Einzelkämpfer? Glaube ich daran, dass ich mir alles erkämpfen muss? Wird mir nix geschenkt? Oder mag ich darauf vertrauen, dass für mich gesorgt ist und dass andere meine Bedürfnisse mit einbeziehen, wenn ich diese äußere? Kann ich den Bedürfnissen des anderen ebenfalls Raum geben? Bin ich bereit, die Verantwortung für mich zu übernehmen? Kann ich anderssein da sein lassen ohne es zu verurteilen?
Besonders hilfreich und friedenstiftend sind für mich folgende Grundgedanken:
1. Jeder hat das Recht auf seine Bedürfnisse und Gefühle und ist dafür verantwortlich.
2. Es geht nicht um richtig oder falsch und schon gar nicht um Schuld.
3. Es ist möglich, eine gemeinsame Lösung zu finden.
Einen ausführlichen Text dazu findest Du in diesem Artikel.
Übung macht den Meister
Das konstruktive Streiten wurde uns nicht in die Wiege gelegt, aber Du kannst es lernen. Und hier gilt das alte Sprichwort „Übung macht den Meister“
Selbst, wenn Du es dann in Extremsituationen nicht gleich hinbekommst, hilft es Dir doch, wenn Du in einer ruhigen Situation schon mal die Erfahrung gemacht hat, dass es grundsätzlich möglich ist, Konflikte auf eine andere Art und weise zu lösen, als sich gegenseitig verbal die Köpfe einzuschlagen. So kannst Du Dich, wenn Du mal in das alte Muster verfallen bist, schneller wieder darauf besinnen, wie es besser gehen kann. Dazu bietet sich eine GFK-Übungsgruppe an, die es sicherlich auch in Deiner Nähe gibt. Wenn nicht: gründe eine ☺
Gefahr erkannt – Gefahr gebannt
Mit der oben beschriebenen Haltung ist schon mal ein guter Grundstein gelegt, so dass es gar nicht erst zu größeren Konflikten kommen muss. Die unterschiedlichen Interessen werden als Bedürfnisse gesehen und man kann sich darüber austauschen, bevor es zu Streitigkeiten kommt. Wenn man emotional reagiert, kann man sich selbst Einfühlung geben (die 4 Schritte) und konstruktiv äußern, worum es geht.
Tatsächlich erlebe ich es so, dass ich zunehmend weniger in Konflikte gerate, seitdem ich mich aktiv mit der Gewaltfreien Kommunikation beschäftige, das heißt, seitdem ich meine Haltung verändert habe. Das liegt daran, dass ich das Verhalten anderer Personen grundsätzlich wenier als Angriff gegen mich persönlich erlebe (die Haltung). Aber ganz verhindern lassen sich Streitigkeiten natürlich nicht, sei es, weil ich selbst mal nicht gut bei mir oder in einer Situation besonders emotional betroffen bin oder weil mein Gegenüber so heftig reagiert, dass ich dadurch aus meiner eigenen Ruhe gebracht werde. Was dann?
Deeskaltation – Was tun, wenn die Gefühle überschäumen?
Wenn wir in eine Situation geraten, die uns emotional überfordert, rutschen wir vereinfacht gesagt ins Reptiliengehirn ab. Jeder wird das sicherlich schon mal erlebt haben. Plötzliche Wutausbrüche/Aggressionen, Schockstarre oder Flucht. Das Handeln gerät außer Kontrolle. Aus diesem Zustand heraus ist es fast unmöglich, einen Konflikt konstruktiv zu lösen.
- Wenn Du also bemerkst, dass Du gerade die Kontrolle verlierst, bemühe Dich, dem Impuls zu widerstehen, verbal um Dich zu schlagen. Man steigert sich sonst nur rein in seine Wut, da kommt nichts Gutes bei raus. Nimm Dir lieber einen Moment, verlasse den Raum, atme ein paar mal tief durch, bevor Du wieder etwas sagst.
- In einer Beziehung, in der es häufiger zu solchen Situationen kommt, könnte man zum Beispiel im Vorfeld ein gemeinsames Zeichen vereinbaren, um einen Streit unterbrechen zu können.
- Vera Birkenbihl empfiehlt, 60 Sekunden lang zu grinsen, bzw. den Mund in die entsprechende Position zu bringen. Ein echtes Grinsen wird daraus in so einer Situation ja nicht. Trotzdem werden durch die muskuläre Anspannung Botenstoffe freigesetzt, die dafür sorgen, dass die Stimmung sich hebt. „Freudehormone fressen Kampfhormone auf“. Das solltest Du aber lieber nicht in Gegenwart Deines Konfliktpartners machen. Der könnte sich sonst ziemlich veralbert vorkommen 😉
- Hilfreich ist es auch, wenn Du eine kleine Achtsamkeitsübung machst und Dich so wieder mit Deinem Körper verbindest. Zum Beispiel kannst Du ein paar Schritte gehen und dabei ganz bewusst Deine Fußsohlen spüren.
- Ich habe bei mir selbst beobachtet, dass mit zunehmendem inneren Halt und Stärkung der eigenen Persönlichkeit diese Momente der emotionalen Überforderung nachlassen. Es werden immer weniger Situationen, die mich außer mich geraten lassen und das wieder zu mir Kommen geht schneller. Es lohnt sich also, an dieser Stelle an sich zu arbeiten. (Hier ist übrigens das HeartMath® Training der perfekte Begleiter)
Mit ein bisschen Übung ist es also durchaus möglich, eine positive Streitkultur zu erlernen. Der große Vorteil ist, dass Du so keine Angst mehr davor haben musst, in unangenehme Auseinandersetzungen zu geraten. Gerade in Beziehungen ist es doch besonders schädlich, wenn man sich nicht mehr richtig mitteilen kann. Aus Angst, dass es in einen Streit ausartet oder weil es schmerzhaft ist, wenn man nicht verstanden wird. Dadurch entfernt man sich voneinander und im schlimmsten Falle auch noch von sich selbst.
Stell Dir mal vor, wie schön das wäre, wenn Du Deinem Partner sagen könntest, wie Du Dich gerade mit ihm fühlst, ohne, dass er sich angegriffen fühlt, wütend wird, sich verteidigt oder Schuldgefühle hat. Wenn Du einfach da sein darfst mit dem, was in Dir gerade lebendig ist. Und andersherum, wie schön es wäre, wenn Dein Partner sich Dir ebenso öffnen würde. So etwas ist möglich 🙂
Jeder Konflikt bietet Dir die Möglichkeit, tiefer in Dich hineinzuschauen und etwas über Dich zu erfahren. Mit der richtigen Haltung können Beziehungen und auch Freundschaft selbst in Konflikten wirklich erfüllend sein und dabei dem persönlichen Wachstum dienen.
Ich wünsche Dir viel Erfolg beim Meistern Deiner Konflikte.
Alles Liebe,
Bela ❤️
Dieser Artikel ist mein Beitrag zur Blogparade von Christina Wenz
http://www.mediation-wenz.de/blog/2016/07/29/einladung-zur-blogparade:-wie-wirst-du-zum-konfliktmeister/