09/04/2018

Über den Mut, sich mitzuteilen

Wie lerne ich, zu mir zu stehen?

In diesem Artikel geht es um den Mut, zu Dir zu stehen. Darüber, was der Preis dafür ist, es nicht, die Gründe, die Dich davon abhalten, aber auch den Lohn, der Dich erwartet, wenn Du es wagst, zu Dir zu stehen.

Neulich war ich tanzen. An der Bar bestellte ich ein Getränk, das ich im Glas ohne Strohalm bekommen hatte. Ich wollte aber gerne einen haben. Die Halme standen direkt hinter dem Tresen, schauten oben rüber, also hab ich mir nix dabei gedacht und mir einen Strohhalm genommen. Plötzlich ranzte mich der eine Barkeeper an. „Eeeeeeeyyyyyy“. Aber in was für einem Ton! Ich dachte kurz, der macht einen Scherz und wartete ab, was passiert. Er „Das ist doch nicht wie zuhause hier“. Ich weiter abwartend-schweigend: Der löst das bestimmt gleich auf, das ist bestimmt ein Scherz. Kein Lächeln auf seinem Gesicht. Okay, kein Scherz. Ich war so verdattert, dass ich einfach gar nichts gesagt habe und gegangen bin.

Früher hätte ich in so einem Moment vielleicht gleich gegengehalten. Hätte zurück geranzt. Eine typische Reaktion, wenn man so viel Ärger entgegengebracht bekommt (die andere typische Reaktion ist eingeschüchtert zu schweigen). Da das aber selten zu einer guten Lösung führt, habe ich irgendwann mal angefangen, an mir zu arbeiten und bin auch ganz zufrieden damit, dass ich mittlerweile nicht sofort reagiere. Im Idealfall bleib ich freundlich. Aber die Situation war so heftig, dass ich einfach nichts mehr sagen konnte.

Allerdings war ich damit auch nicht zufrieden. Die Partystimmung war erstmal weg und ich saß etwas belämmert mit meinem Getränk da. Irgendwie hatte mir das keine Ruhe gelassen und ich hatte den Wunsch, die Situation zu klären. Also bin ich noch mal hin und hab ihn gefragt „Sag mal, hast du das gerade ernst gemeint?“ Der Barkeeper war sichtlich betroffen und meinte „Hmmm, ja, war vielleicht etwas laut, aber von der Sache her habe ich das schon ernst gemeint.“ Das konnte ich verstehen und meinte nur, dass es nett gewesen sei, wenn er mich nicht so angeschrieben hätte. Am Ende hat er mich gefragt, ob wir „wieder Freunde sind“ 🙂 Die Situation war geklärt, ich wieder in Harmonie, alles gut. Das war eine richtig tolle Erfahrung!

„Es lohnt sich, den Mund aufzumachen“

Wie gesagt, war das früher bei mir anders. In mancherlei Hinsicht war ich zwar tendenziell schon immer der Typ dafür gewesen, den Mund aufzumachen. Besonders, wenn es um das Thema Gerechtigkeit geht. Kennst du diese Situationen aus der Schule, wenn die ganze Klasse sich über einen Lehrer aufregt und man beschließt, etwas zu sagen? Am Ende reden dann nur 1 oder 2 Personen und die anderen sagen nix mehr dazu. Ich war eine von den beiden.

Es gab aber auch andere Situationen, in denen ich nichts gesagt habe. Zuhause zum Beispiel, besonders wenn es um emotionale Angelegenheit ging. Wenn mir was gefehlt hat oder ich mich nicht gut mit etwas gefühlt habe. Wenn es darum ging, etwas von mir zu erzählen. Sicherlich hab ich auch mal versucht, mich mitzuteilen und wurde nicht gehört damit. So genau weiß ich es nicht mehr. Irgendwann hab ich jedenfalls alles nur noch mit mir alleine ausgemacht, was zum Teil bedeutete, diese Dinge in mir einfach nicht mehr wahrzunehmen. Das ging so weit, dass ich mich irgendwann selbst verloren hatte. Mich und vor allem auch mein Gefühl der Selbstwirksamkeit.

„Es ist so wichtig, für sich einzustehen!“

Aber es müssen gar nicht immer die ganz großen Dinge sein. Auch in den kleinen alltäglichen Dingen kann es das geben, dass wir uns nicht richtig für uns einsetzen. Zum Beispiel, weil die Art, wie der Chef mit einem umgeht nicht gefällt, die Kollegin immer wieder Witze macht, die verletzend sind, die beste Freundin, einen immer wieder warten lässt oder die Berührung des Freundes, einem nicht 100%ig gefällt. Diese Liste kann man wahrscheinlich endlos fortführen. Es gibt immer wieder Situationen, in denen etwas passiert, das einem nicht gefällt oder nicht gut tut und anstatt etwas zu sagen gewartet wird, dass es vorbei ist. Nicht immer muss man sich äußern, aber manchmal eben doch. Und ob man was sagt oder nicht, man sollte zumindest mitbekommen, was in einem los ist

Gute Erfahrungen stärken

Ich habe mit ca. 20 Jahren eine schöne Situation erlebt, die mich darin bestärkt hat, dass es gut ist, den Mund aufzumachen.
Ich hatte während meiner Ausbildungszeit ein Gespräch mit meinem Chef. Ich weiß nicht mehr, worum genau es ging. Aber ich erinnere mich, dass ich ihm etwas mitgeteilt hatte, was mir nicht gefallen hat. Er hatte darauf sehr positiv reagiert, sich bedankt und gesagt, dass er es toll findet, dass ich den Mut dazu habe.
Vielleicht hatte ich ein bisschen Glück damit. Vielleicht hätte jemand anderes nicht so bestärkend reagiert. Für mich war das ein Geschenk und sehr prägend, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass es Menschen gibt, die es als Bereicherung empfinden, wenn ich mich mitteile.

Natürlich habe ich im Laufe der Zeit auch nicht so tolle Erfahrungen gemacht. Gerade, wenn meine Äußerungen von meiner inneren Not geprägt waren, sind die Reaktionen darauf oft eher negativ und abwehrend gewesen. An dieser Stelle darf unsere Gesellschaft und unser Kommunikationsverhalten sich noch entwickeln. Auf beiden Seiten. Die eine Seite darf mehr Verantwortung für die eigenen Gefühle übernehmen, die andere Seite mit offenem Herzen hören.
Wenn jemand den Mut hat, sich zu äußern und mitzuteilen, was er gerade braucht, dann kann man sich doch eigentlich glücklich schätzen. Denn es ist die Möglichkeit, sich wieder aufeinander zu zu bewegen. Etwas zu verändern. Auch wenn der Ton vielleicht gerade nicht der Beste ist.

Ich denke, es gibt verschiedene Gründe, warum das nicht gemacht wird

  • Sehr viele Menschen stecken voll mit Schuldgefühlen. In dem Moment, wo sie etwas hören, was auch nur Ansatzweise beinhalten könnte, dass sie etwas falsch gemacht haben, führt sofort zu Abwehr, weil es sonst an den eigenen wunden Punkten rütteln würde.
  • Meist haben wir diese Kompetenz auch gar nicht. Wer lernt schon im Elternhaus oder in der Schule, auf die Bedürfnisse eines Menschen zu hören und Inhalt von Form zu trennen? Häufig sind wir doch total im Re-Aktionsmuster gefangen, schlagen zurück oder wehren ab, wenn uns was entgegengebracht wird. Und das natürlich umso mehr, je vorwurfsvoller etwas gesagt wird.
  • Ich habe auch den Eindruck, dass Abgrenzung und Verteidigung präsenter ist, als die Verbindung und das Miteinander zu suchen. Vielleicht ist das die Folge der vorher genannten Punkte, vielleicht auch ein Phänomen unserer Zeit und Gesellschaft.

Aber wie auch immer – all das sollte uns nicht davon abhalten, den Mund aufzumachen und für uns einzustehen. Denn nur so kann sich überhaupt etwas ändern. Unsere Wünsche werden uns nicht von den Augen abgelesen – meistens jedenfalls nicht. Wir dürfen uns selbst dafür einsetzen. Und das ist gar nicht so schwierig, wenn man die Punkte in sich überwunden hat, die einen bisher davon abhalten.

Vielleicht ändert sich nicht immer was. Aber viel entscheidender ist doch, es wenigstens probiert zu haben und so mit sich selbst im Kontakt zu bleiben! Wer immer wieder ignoriert, wonach die Seele verlangt, der verliert irgendwann die Verbindung zu sich und damit zu den Hinweisen, die die Seele geben möchte. Sie werden schlicht nicht mehr gehört, das wäre ja sonst unerträglich. Nur wirkt es im Unbewussten natürlich weiter. Bloß, weil man etwas nicht mehr spürt, heißt das nicht, dass es für Körper, Seele und Geist okay ist. Wir sind Meister darin, uns von uns selbst abzuschneiden. Marshall Rosenberg schreibt in seinem Buch „Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens„, dass das nicht mehr Wahrnehmen der eigene Bedürfnisse, eine Ursache für Depressionen ist. Das macht total Sinn, denn Bedürfnisse sind ja die treibenden Kräfte im Leben. Wenn man diese nicht mehr spürt, geht auch Zugang zum eigenen Sein, zur inneren Kraftquelle verloren. Und wie gesagt, es geht für mich nicht nur um die großen Themen. Es geht auch um die vielen kleinen alltäglichen Situationen. Es geht darum, für sich einzustehen. Für mich ist jedes Schweigen und Ignorieren wie ein Verrat an der Seele.

  • Wie oft ärgerst du dich über etwas – und sagst nichts?
  • Wie oft stört dich etwas – und du übergehst es?
  • Wie oft verletzt dich etwas – und du sagst nichts dazu?

Achte mal in deinem Alltag darauf, wie häufig solche Dinge passieren und du nicht darauf reagierst, es abtust oder beschwichtigst. Ist das wirklich stimmig für dich? Entspricht das wirklich dem, was du fühlst, wie du bist und wie du sein möchtest? Oder gibt es irgendwo in dir vielleicht einen Teil, der gerne mal laut auf den Tisch hauen und Stopp schreien würde? Ich sage nicht, dass das immer der beste Weg ist. Aber ich sage, dass es wichtig ist, diesem Teil mal wieder Raum zu geben und ihn vor allem ernst zu nehmen. Dich selbst ernst zu nehmen.

Und mal ehrlich – was soll passieren?

  • „Es beginnt ein Konflikt“ – den kann man klären
  • „Menschen wenden sich ab“ – waren es dann die richtigen für dich?
  • „Es bringt nichts“- dann hast du es aber wenigstens versucht

„Die Chance, dass deine Bedürfnisse erfüllt werden, wenn du darüber redest, steigt immens“ :o)

Falls es dir bisher schwer fällt, dich mitzuteilen und du möchtest etwas daran ändern, dann ist es für dich interessant herauszufinden, was dich bisher davon abgehalten hat.

  • Wovor genau hast du Angst?
  • Was ist deine bisherige Erfahrung?
  • Was glaubst du, wie Menschen darauf reagieren oder damit umgehen?

Das Beste, das dir passieren kann, ist ein Mensch, der positiv darauf reagiert, wenn du dich mitteilst. Der dieses Geschenk des dich Zeigens würdigt und der dankbar dafür ist. Weil dieser Mensch sich die Mühe macht zu verstehen, worum es dir geht. Weil er daran interessiert ist, deine Bedürfnisse zu sehen. Weil dieser Mensch an einer Verbindung zu dir interessiert ist. Und weil dieser Mensch weiß, dass es nicht darum geht, dass er etwas falsch gemacht hat, sondern weil er hört, dass es anders war, als das, was du gerade brauchst. Dieser Mensch, der so in sich ruht und mit sich verbunden ist, der kann dich sehen und hören.
Und vielleicht möchtest du dieser eine Mensch für jemanden anderes sein…

Beziehungen verbessern

Besonders Beziehungen, ob Liebes- oder freundschaftliche Beziehungen, profitieren davon, wenn man sich traut, sich mit allem zu zeigen, was da ist. Denn was passiert, wenn du das nicht machst? Dann wirst du dich unweigerlich innerlich zurückziehen. Es wird eine Mauer zwischen dir und der anderen Person entstehen, die von mal zu mal größer wird. Bis die Verbindung irgendwann gar nicht mehr spürbar ist.
Ich finde es so traurig, wenn so etwas passiert. Kein Ding, wenn man sich auseinander lebt. Wenn es einfach nicht mehr passt, weil die Wege in unterschiedliche Richtungen führen. Aber eine Freundschaft oder Beziehung zu verlieren, weil man nicht den Mut hatte, ganz da zu sein und sich mitzuteilen, das ist wirklich traurig.

Meine Erfahrung ist, dass es leichter wird. Mit jeder positiven Erfahrung und natürlich auch mit zunehmender Tiefe der Beziehung. Das Vertrauen wächst, das Selbstbewusstsein wächst. Besonders wächst aber auch die innere Überzeugung, dass das und nichts anderes der Weg ist, leben zu wollen. Weil es echt ist, authentisch, lebendig. Und leicht. Leicht? Ja genau. Leicht. Das klingt für manche vielleicht ungewöhnlich. Denn unbequeme Themen anzusprechen fühlt sich ja erst mal alles andere als leicht an. Nach nervigen Diskussionen und Konflikten. Die Harmonie scheint dadurch gestört zu sein. Aber wenn man gelernt hat, zu sich zu stehen und es zum Ausdruck zu bringen, ist es viel unharmonischer, das nicht mehr zu tun!
Je nachdem, um was es geht und mit wem ich rede, bin ich trotzdem manchmal aufgeregt oder habe Angst, dass es blöd ankommt. Aber ich mache immer mehr positive Erfahrungen damit und werde dadurch natürlich immer mehr bestärkt. Und selbst, wenn es mal nicht so ankommt, wie ich es mir wünsche, kann ich mit einem guten Gefühl rausgehen, weil ich bei mir bleibe und zu mir stehe.

Ich wünsche dir den Mut und das Selbstvertrauen, mal ganz ehrlich auf dich und deine Leben zu schauen, ob es irgendwo Bereiche in deinem Leben gibt, wo du noch nicht 100%ig zu dir stehst und dich auf den Weg zu machen, genau das zu lernen.

Was sind deine Erfahrungen damit?

Alles Liebe,
Bela
 

Bela Janine Höfer

Seit fast 30 Jahren erforsche ich das Feld der Persönlichkeitsentwicklung, Psychologie und Spiritualität. Und vermutlich werde ich nicht mehr damit aufhören, denn es hört nicht auf spannend zu sein. 

In diesem Blog teile ich meine Erfahrungen und mein Wissen mit Dir.

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