Die Gewaltfreie Kommunikation ist ein lösungsorientiertes Kommunikationsmodell. Deswegen folgt nach der Äußerung von Beobachtung, Gefühl und Bedürfnis noch die Bitte. Denn nur so kann ein nächster Schritt in Richtung Lösung gegangen werden.
Dies ist der siebte Artikel in dieser Serie. Wenn Du zunächst einen Einstieg in die Gewaltfreie Kommunikation (kurz GfK) haben möchtest, schau Dir gerne erst mal den Startartikel dieser Serie an.
Also los! Im Kern besteht die Gewaltfreie Kommunikation aus den 4 Schritten:
Beobachtung – Gefühl – Bedürfnis – Bitte
In den vorherigen Artikeln hast Du erfahren, wie Du eine Beobachtung schilderst, ohne zu urteilen, wie Du Deine Gefühle von Deinen Gedanken unterscheidest und sie mitteilst, und welchen Unterschied es zwischen Deinen Bedürfnissen und den Strategien, diese zu erfüllen, gibt.
Im letzte Schritt geht es nun darum, eine konkrete Bitte zu formulieren, um so in die Handlung zu kommen. Denn Du möchtest ja, dass sich an Deiner Situation etwas ändert.
Die Bitte – eigentlich ganz simpel
Eine Bitte zu äußern klingt ja erst einmal ganz einfach. Aber tatschlich ist genau hier oft ein Knackpunkt. Wir formulieren unsere Bitte häufig nicht klar und deutlich, sondern sagen stattdessen nur so etwas wie „Ich bin bin total kaputt.“ und denken, unser Partner wüsste dann, dass es bedeutet, dass wir Unterstützung beim Haushalt brauchen. Wir leben aber alle in unserem eigenen kleinen Universum, mit eigenen Wertvorstellungen, eigenen Erlebnissen und Bedürfnissen. Das alles führt dazu, dass wir nicht immer in der Lage sind, zwischen den Zeilen zu lesen, was der andere gerade braucht. Deswegen ist es sehr wichtig, eine Bitte klar zu formulieren. Das schafft gute Voraussetzungen dafür, dass sie auch erfüllt werden kann. Dabei gibt es noch ein paar Dinge zu beachten, auf die gehe ich später ein.
Das Leben des anderen zu bereichern ist eine Freude
In der GFK gibt es die Grundannahme, dass wir gerne zur Bereicherung des Lebens unserer Mitmenschen beitragen, wenn unsere eigenen Bedürfnisse erfüllt sind. Ich bin mir sicher, Du kennst das, wenn Du jemandem helfen konntest oder eine Freude machen konntest. Dieses zufriedene Gefühl, die Freude, die dadurch bei Dir selbst entsteht. Wir sind von Grund auf soziale Wesen. Es gibt nur ein paar Dinge, die uns davon anhalten können. Die Art der Kommunikation ist dafür ganz entscheidend.
Bitte oder Forderung?
Wir haben ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Selbstbestimmtheit. Und wir spüren sehr genau, ob eine Bitte wirklich eine Bitte oder eine Forderung ist. Selbst wenn sie in höfliche Worte verpackt wurde, hinterlässt eine Forderung den Eindruck, keine Wahlfreiheit zu haben, also mit negativen Konsequenzen rechnen zu müssen. Allein das reicht schon aus, um aus einem Trotzgefühl heraus ablehnend zu reagieren.
Die Reaktion macht es deutlich
Es ist für eine Bitte sehr wichtig, dass ein Nein als Antwort okay ist. Das heißt nicht, dass man nicht enttäuscht, traurig oder was auch immer darüber sein kann. Aber es macht eben einen Unterscheid, ob man dann dem anderen die Schuld für dieses Gefühl gibt, oder damit bei sich bleibt.
Ob Du wirklich eine Bitte oder eine Forderung ausgesprochen hast, merkst Du also spätestens, wenn Du das Nein zur Antwort bekommst.
Umgang mit einem Nein
Dieser Punkt hat es in sich. Manchmal ist es gar nicht so leicht damit klarzukommen, wenn der andere nein sagt. Wenn das eigene Bedürfnis sehr groß ist, dann ist es ganz verständlich, wenn Du am liebsten den anderen dazu bringen möchtest zu tun, worum Du bittest. Manchmal ist die eigene Not so groß, dass es einem auch wirklich egal ist, ob beim anderen etwas dagegen sprich oder nicht. Das ist sehr menschlich.
Aber Gewaltfreiheit im Sinne der GFK bedeutet eben, dass man die eigenen Bedürfnisse nicht über die des anderen stellt. Es wird davon ausgegangen, dass der Grund, warum jemand nein sagt ist, dass ein anderes Bedürfnis gerade wichtiger ist. Sich das bewusst zu machen kann helfen, dass die eigene Enttäuschung nicht ausartet oder zu einem Streit führt.
Und mit dem Nein muss das Gespräch nicht zu ende sein. Vielleicht warst Du ja doch fordernd. Dann kannst Du noch einen Versuch starten, indem Du erklärst, warum Dir Dein Anliegen so wichtig ist. Also anstatt nur zu sagen „Machst Du bitte noch die Küche sauber?“ Könntest Du hinzufügen „Ich möchte dort nachher den Kuchen für morgen backen und ich möchte gerne direkt damit anfangen, damit es nicht so spät wird.“
Falls Du das Gefühl hast, dass beim anderen Bedürfnisse dagegen stehen, kannst Du darauf eingehen oder einfach nachfragen, was dagegen spricht. Das öffnet den Raum, um eventuelle Missverständnisse zu klären oder gemeinsam eine andere Lösung zu finden. Auf jeden Fall hilft es, das Nein besser akzeptieren zu können, wenn die Gründe dafür bekannt sind.
Jetzt aber noch mal konkret: Was ist zu beachten?
Damit eine Bitte wirklich erfüllbar ist, sollte sie umsetzbar und konkret sein. Klingt logisch. Aber häufig sind unsere Bitten es nicht. „Ich möchte, dass Du respektvoll mit mir umgehst.“, „Kannst Du bitte mehr im Haushalt helfen?“, „Sprich bitte freundlich mit mir.“ sind zwar alles Dinge, unter denen man sich etwas vorstellen kann, aber es nicht klar, worum genau es geht. In welchen Handlungen äußert sich Respekt oder Freundlichkeit? Wann soll mehr im Haushalt geholfen werden? Und was genau soll getan werden? Es braucht also einen konkreten Zeitpunkt und Details, um was genau es geht, damit überhaupt entscheiden werden kann, ob man zu etwas bereit ist oder nicht. Alles andere ist Spekulation und die Wahrscheinlichkeit, dass nichts daraus wird, ist groß.
Außerdem ist es hilfreich, die Bitte positiv zu formulieren. Aus „Kannst Du bitte Deine Klamotten nicht überall rumliegen lassen.“ Könnte dann werden „Kannst Du bitte die Jacke und die Schuhe in den Flur bringen, bevor der Besuch kommt?“
Die verschiedenen Formen der Bitte
Bei den oben genannten Bitten handelt es sich um Handlungsbitten. Es geht darum, das etwas umgesetzt oder auch unterlassen werden soll. Manchmal, gerade wenn es um eine heikle Angelegenheit geht, ist es hilfreich, sich zunächst aufeinander zu zubewegen und sicherzustellen, dass man über die selben Dinge spricht. Dafür gibt es die Verbindungsbitten. Das sind zum Beispiel „Was fühlst Du, wenn Du das hörst?“, „Was denkst Du darüber?“ oder „Kannst Du noch mal wiederholen, was Du gehört hast?“
Diese Fragen helfen, dass beide Seiten ein besseres Bild von der Lage des anderen bekommen. Es öffnet den Raum für Verständnis und schafft so einen guten Boden dafür, dass die Bereitschaft, eine Bitte zu erfüllen gegeben ist.
Die 4 Schritte – Beobachtung – Gefühl – Bedürfnis – Bitte sind auch bestens dafür geeignet, Klarheit für sich selbst in eine Situation zu bringen. Wenn Du also etwas erlebt hast, was Dich aufwühlt, dann kannst Du für Dich diese 4 Schritte durchgehen, um zu verstehen, worum genau es Dir dabei ging. In dem Fall ist es auch spannend, Dich am Ende selbst um etwas zu bitten. So bekommst Du viel Bewusstheit in Dein eigenes Erleben und vor allem kommst Du ins Handeln.
Anwendung der Gewaltfreien Kommunikation
Im Artikel (Die Kunst, Beobachtung und Bewertung zu trennen) hatte ich eine bespielhafte Situation beschrieben. Erinnerst Du Dich?
Stell Dir folgendes Szenario vor: Du hattest eine anstrengende Arbeitswoche und am Wochenende warst Du auch noch auf einem Seminar, dass Dir dein Arbeitgeber nahegelegt hatte. Sonntag Abend gegen 17 Uhr kommst Du völlig kaputt nach Hause. Auf dem Weg in die Küche siehst Du, dass Dein Mann auf dem Sofa schläft. Du kommst in die Küche und siehst das: Essensreste, Flaschen, Alkohol.
Ziemlich sauer stapfst Du ins Wohnzimmer, weckst ihn unsanft und legst los: „Was ist denn in der Küche passiert? Habt Ihr hier ne Party gefeiert?“. Noch bevor Dein Mann antworten kann machst Du weiter: „Ihr hättet ja wenigstens mal die Reste wegräumen können. Soll ich das jetzt vielleicht machen?“ Dein Mann, völlig überrumpelt, aus dem Schlaf geweckt ranzt zurück: „Entspann dich mal. Ist doch nicht so schlimm.“ „Ich würde mich ja gerne entspannen. Nichts lieber als das! Aber da Du ja zu faul warst, Dein Chaos zu beseitigen, geht das wohl schlecht. Schön, wenn Du dabei in aller Seelenruhe schlafen kannst. Hast wohl zu viel getrunken. Wann hattest Du denn vor das wegzumachen?“ „Ich mach das gleich. Stress mal nicht so. Ich bin gerade aufgewacht“ „Wenn Du Deinen Scheiß nicht immer liegen lassen würdest, dann würde ich auch nicht so stressen!“ „Was willst Du eigentlich von mir?“ (BREAK)
Lösungsvorschlag
Beobachtung:
- Aus „Was ist denn in der Küche passiert? Habt Ihr hier ne Party gefeiert?“ könnte also werden:
„Der Küchentisch steht voll mit Flaschen und Geschirr. Habt ihr eine Party gefeiert?“ - Aus dem Satz „Aber da du ja zu faul warst, dein Chaos zu beseitigen, geht das wohl schlecht.“ könnte werden:
„Ich empfinde es als faul, dass du im Bett liegst und schläfst während die Sachen noch auf dem Küchentisch stehen.“
Mögliche Gefühlsäußerungen:
- Ich bin total erschöpft.
- Ich ärgere mich.
- Ich bin genervt.
Mögliche Bedürfnisse:
- Ruhe, Entspannung: Ich bin sehr erschöpft von dem Seminar und würde mich gerne ausruhen.
- Unterstützung: Es fällt mir schwer, mich auszuruhen, wenn ich weiß, dass in der Küche die Sachen auf dem Tisch stehen. Ich bin aber gerade sehr kaputt und hätte gerne Unterstützung dabei Ordnung zu machen.
- Harmonie, Ordnung: Ich bin genervt, weil ich nach dem anstrengenden Wochenende gerne einen harmonischen Abend mit Dir verbracht hätte. Ordnung ist mir sehr wichtig, daher fällt es mir schwer, über das Chaos in der Küche hinweg zu sehen.
Mögliche Bitte:
- Verbindungsbitte: „Wie geht es Dir damit, wenn Du das hörst?“
- Bitte an mich selbst: „Bitte setzt Dich 5 Minuten hin, atme tief durch und beruhige Dich, bevor Du die Unterhaltung weiterführst.“
- Bitte an den anderen: „Bist Du bereit, dass wir jetzt gemeinsam die Küche in Ordnung bringen und es uns dann zusammen gemütlich machen?“
Das schöne ist, wenn Du Dir Deiner Gefühle und Bedürfnisse bewusst wirst, dann ist es viel leichter, auch eine entsprechende Bitte zu formulieren. Häufig geben wir aus unserer Verärgerung heraus Dinge von uns, die dem anderen nicht klar machen, worum es uns wirklich geht und die dann auch noch dazu führen, dass dicht gemacht wird. Die Reaktion fällt entsprechend aus und schnell entsteht so ein Streit.
Ich hoffe, ich kann Dich ein wenig inspirieren, mal andere Wege auszuprobieren. Wenn Du zu den Menschen gehörst, die lieber gar nichts sagen, weil die Angst vor dem Konflikt zu groß ist, dann möchte ich Dir Mut machen, es einfach mal zu probieren, Dich Deinem Gegenüber zu öffnen. Meine Erfahrung ist, dass Konflikte so recht schnell aus der Welt geschaffen werden können. Das wirklich Unangenehme an einem Streit ist für mich, wenn sinnlose Phrasen um die Ohren gehauen werden. Vom anderen zu hören, was wirklich in ihm oder ihr los ist, hat eine ganz andere Qualität. Ich mag die Echtheit und die Verbindung, die dadurch entsteht, dass man sich wahrhaftig begegnet.
Wie gehst Du damit um, wenn Du Dich in einer Situation mit jemandem befindest, wo Du Dir eigentlich etwas anderes wünscht? Sprichst Du es an? Oder ziehst Du Dich zurück?
Alles Liebe,
Bela ❤️
PS: Im nächsten Artikel geht es um mein Lieblingsthema: Empathie 🙂